Die Watchlist

Kleines Werkzeug, große Wirkung

Autor: Leon L. Bensch

zuletzt aktualisiert am 08. Mai 2023

Symbolbild: Wann ist die richtige Zeit gekommen, um Aktien zu kaufen? (adobe.stock.com: rawpixel.com)

April/Mai 2023. Die Kommentatoren und Experten der Finanzbranche in Europa und vor allem in den USA sind sich so ziemlich einig. Eine Rezession wird kommen. Wie stark sie ausfällt und ob die Aktienmärkte deswegen um 10%, 20% oder 30% korrigieren, bleibt reine Spekulation.

Milliardär Paul Singer sagt

Milliardär Paul Singer sieht eine erhebliche Rezessionsgefahr der amerikanischen Wirtschaft. Im Sog wirtschaftlicher Schwäche der USA und deren fallenden Indizes S&P 500 und Nasdaq würde auch die europäische Wirtschaft nicht verschont bleiben. Grund für die Probleme an den Märkten verortet Singer die vor einem Jahr begonnenen Zinserhöhungen der FED.


Der 78jährige Hedge-Fonds-Manager der Investmentgesellschaft Elliot Investment hält einen Kreditkollaps und eine tiefe Rezession für notwendig, um die Finanzmärkte nachhaltig zu sanieren. Für Anleger rät er zu kurzfristigen US-Staatsanleihen und etwas Gold im Portfolio. Kryptos hingegen als Safe-Haven-Asset lehnt Singer ab.

Marktstratege Troy Gayeski sagt

Chef-Marktstratege Troy Gayeski von FS Investments rät dringend zum Aktienverkauf. Er warnt Anleger eindringlich davor, sich über die Erholungsphase der US-Indizes, eine von technischen Faktoren abhängige Bärenmarktrallye, nicht zu früh zu freuen. Er rechnet mit einer scharfen Abwärtsbewegung des breiten Marktindex S&P 500 von mehr als 22 Prozent. Als Gründe sieht Gayeski geringere Erträge bei den US-Unternehmen infolge einer schwachen Konjunkturentwicklung und den Zinserhöhungen der FED, was sich bislang in den Aktienkursen nicht widerspiegele.

 

Gayeski und Singer sind mit ihrer Skepsis in guter Gesellschaft. Viele bekannte Investoren, unter anderem Jeffrey Gundlach oder Bill Ackman, gehen ebenfalls von einer langwierigen Börsenflaute aus. Dabei verweisen sie auf Belastungsfaktoren wie den hartnäckigen Inflationsdruck, das hohe Zinsniveau, die schwindenden Unternehmensgewinne oder eben auch geopolitische Unvorhersehbarkeiten.

In welcher Situation würde ich Aktien kaufen?

Aber wie immer kommt es auf die Perspektive an. Die Berichte in den Zeitungen und Aussagen der Experten sind immer euphorisch, wenn der Markt sich zu neuen Allzeithochs aufschwingt und pessimistisch, wenn alles am Boden liegt und keiner mehr Aktien kaufen will. Dass die Inflation hoch ist, bemerkt jeder beim täglichen Einkauf im Supermarkt. Es ist derzeit wahrlich schwierig Geld zu sparen, wenn alles immer teurer wird.

 

In welcher Situation würde ich Aktien kaufen? Wenn die Stimmung besser nicht sein könnte und die Kursstände von Allzeithoch zu Allzeithoch jagen, oder wenn die Stimmung ausgesprochen mies ist, die Kurse nach unten tendieren und nichts mehr geht? Ich würde letzteres wählen und mich gut darauf vorbereiten.

Es ist Zeit für eine Watchlist

Ob der S&P 500 tatsächlich auf 3.200 Punkte korrigiert, weiß niemand. Falls es so kommt, ist es gut, einen Plan zu haben. Falsch hingegen wäre es, all seine Aktien aus dem Depot zu werfen und auf einen Crash zu hoffen. Kommt der Crash nämlich nicht oder die Korrektur fällt bescheidener aus, dann wird sich auch niemand bei uns für den Irrtum entschuldigen.

 

Punkt 1, der wichtig wird, wenn der Crash kommt, keine Panik aufkommen zu lassen und schon gar nicht panikartig verkaufen. Punkt 2, eine Watchlist anlegen. Diese Watchlist sollte jeder Anleger auch völlig unabhängig von Crashs oder Korrekturen zur Hand haben.

 

Starinvestor und Warren Buffetts Geschäftspartner Charlie Munger liebt Listen, denn sie erleichtern ihm das Leben und geben in unsicheren Zeiten Sicherheit. Jeder Anleger, der sich selbst ein Vermögen aufbauen möchte, sollte sich so eine Liste anlegen. „Liste“ klingt irgendwie langweilig, aber eine gute Liste ist wie ein guter Bauplan.

 

Auf meiner Watchlist stehen nicht nur die Namen potentieller Aktien, in die ich am liebsten investieren würde, sondern auch, zu welchen Kursen ich bereit wäre, die Aktien zu kaufen.

 

Bevor eine Aktie überhaupt auf meiner Watchlist landet, schaue ich mir das Unternehmen ausführlich an und versuche das Geschäftsmodell zu verstehen. Ergeben sich Schwierigkeiten dabei, wie und womit das Unternehmen Geld verdient, dann schiebe ich es beiseite und widme mich einem anderen. Der Rechercheaufwand ist keinesfalls innerhalb weniger Minuten erledigt. Denn je mehr ich über das Unternehmen weiß, desto sicherer ist meine Entscheidung, dass es auf meiner Watchlist steht.

Wenn der Crash da ist

Crashs haben die Eigenheit, dass niemand damit rechnet, wenn einer kommt. Wenn jeder mit einem Crash rechnet, kommt er sicher nicht. Hintergrund plötzlich stark fallender Aktienkurse ist, dass jeder das Börsenparkett innerhalb weniger Minuten verlassen möchte, aber der Ausgang nicht breit genug für alle ist. In der Regel stoßen die meisten Marktteilnehmer bei Crashs panikartig ihre Aktien ab und haben kein Problem damit bei tieferen Kursen, die ihnen immer noch einen letzten Restgewinn oder einen minimalen Verlust bescheren, zu verkaufen. Beim Abverkauf werden Stoppkurse von Anlegern gerissen, die aufgrund des unvorhersehbaren Ereignisses nicht aktiv handeln können, was die Kurse weiter in die Tiefe reißt. Am Ende stellt sich für viele Anleger die Frage, ob sie mit Verlusten verkaufen oder die Krise aussitzen sollen. Wer Aktien von guten Unternehmen in seinem Depot hat, sollte einen Verkauf nicht in Erwägung ziehen.

 

Kommt es tatsächlich zum Crash bin ich mit einer Watchlist bestens vorbereitet. Das Nachdenken über potentielle Investitionen habe ich bereits vorher erledigt, je gründlicher desto besser. Ich habe beschlossen, welche Aktien, welche Anzahl von Aktien und zu welchem Kurs ich kaufe oder ggf. aufstocke, wenn ich bereits Aktien besitze. Ich kann mich in Ruhe zurücklehnen und warte noch eine Weile, bis die Panik vorbei ist. Schließlich gibt es nur noch eine letzte Sache, die ich tun muss: kaufen.

Autor: Leon L. Bensch für aktien-buddy.de erstmals veröffentlicht am 08. Mai 2023

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