Thyssenkrupp Aktie Analyse

Thyssenkrupp: Ein Wunder muss geschehen

Texas Instruments Inc. | WKN 750000 | Aktienkurs zum Zeitpunkt der Analyse: 6,83 Euro

Autor: Leon L. Bensch

zuletzt aktualisiert am 20. Mai 2023

Wenn man das abgeschlossene Geschäftsjahr zugrunde legt, kommt Thyssenkrupp auf ein KGV von 3,7. Sehr Günstig. Ein Kauf? Mein Interesse für kostenintensive Industrieunternehmen hält sich jedoch in Grenzen. Denn wenn ständig hohe Summen investiert werden müssen um den Anschluss an die Konkurrenz nicht zu verlieren, dann wird man nie Geld verdienen. Und wenn ein Unternehmen nie Geld verdient, ist das für Anleger, die ihr Geld gewinnbringend investieren wollen, einfach keine gute Investition.

So ähnlich sieht es wohl auch Thyssenkrupp selbst. Denn der Konzern erhöht gerade den Druck auf Bundeswirtschaftsminister Habeck und verlangt einen Milliarden-Zuschuss für eine Direktreduktionsanlage.

 

Was ist passiert? Bei den Stahlkochern von Thyssenkrupp wächst der Unmut über Robert Habeck wegen der immer noch fehlenden Förderzusage für den Umbau zu einer grünen Produktion. Angeblich stehe das Vertrauen der Beschäftigten in den Bundeswirtschaftsminister auf dem Spiel, sagte der Stahlbetriebsratschef Tekin Nasikkol der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Stahlbranche im Wandel

Die Stahlbranche in Deutschland steht vor einem Problem, und das nicht erst seit der Energiewende. Erstens: die Energiekosten sind für ein Industrieland wie Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und vor allem zur chinesischen Konkurrenz viel zu hoch. Zweitens: die in Deutschland hergestellte Energie ist auf dem aktuellen Niveau längst nicht umweltfreundlich, da die Ampel-Regierung (manchmal ist Wirtschaft eben auch Wirtschaftspolitik) statt auf Atomkraft auf Kohleenergie setzt. Es soll zwar nur eine Übergangslösung sein, aber Übergangslösungen schaffen keine Energiesicherheit und liefern Argumente für Spekulationen. Das Ziel der Bundesregierung ist es, bis 2045 CO2-neutral zu sein. Das bedeutet auch keine Energie mehr aus Kohleverstromung zu nutzen. Um die Energiesicherheit für die deutsche Wirtschaft zu gewährleisten, benötigt Deutschland Energie aus regenerativen Rohstoffen, wie zum Beispiel Wind oder Sonne. Doch der Ausbau von Windkraft geht nur schleppend voran. Grüner Wasserstoff ist auf absehbare Zeit viel zu teuer, in der Menge kaum vorhanden und ineffizient. Die Nutzung von Atomstrom aus Frankreich, Belgien oder der Niederlande wird sicherlich noch für Diskussionen sorgen.

 

Wenn China und die USA bei der globalen Aufgabe, die CO2-Emissionen nicht radikal zu senken, nicht mitmachen, wird chinesischer Stahl für immer günstiger sein als deutscher. Es ist also selbst mit grünem Strom für thyssenkrupp eine fast unmögliche Aufgabe, Stahl in genügenden Mengen zu Weltmarktpreisen zu produzieren und zu verkaufen. Die Stahlproduktion führt für Thyssenkrupp früher oder später automatisch in die Insolvenz, weil Thyssenkrupp damit kein Geld verdient.

 

Was wäre also die Rettung? Ganz einfach: Subventionsgeld vom Bund beziehen. Übersetzt heißt das: Geld vom Steuerzahler. Während der Steuerzahler gerade gesetzlich darum gebeten wird, aus dem eigenen Portemonnaie höhere Strompreise in Kauf zu nehmen, alte Öl- und Gasheizungen zu verschrotten und sich bitteschön ein E-Auto zu kaufen, wird ein ganzer Industriezweig mit nicht rückzahlbaren Zuschüssen in Milliardenhöhe subventioniert.

Direktreduktionsanlage für 2 Mrd. Euro

Habeck hatte angeblich gesagt: „Whatever it takes!“ und meinte damit die industrielle Transformation hin zu einer CO2-neutralen Wirtschaft in Deutschland. Bis Ende 2025 will Thyssenkrupp eine sogenannte Direktreduktionsanlage für eine klimafreundliche Produktion von jährlich 2,5 Mio. Tonnen Stahl in Betrieb nehmen. Damit ließen sich in einem ersten Schritt jährlich über 3,5 Mio. Tonnen CO2 einsparen. Die Kosten dafür beziffert das Unternehmen auf über 2 Mrd. (ZWEI MILLIARDEN) Euro. Nordrhein-Westfalen möchte 700 Mio. Euro zuschießen. Thyssenkrupp will selbst einen dreistelligen Millionenbetrag investieren, genaueres weiß man nicht.

 

Die Investitionsgelder bzw. Subventionen des Bundes sind von fundamentaler, existentieller Bedeutung, gibt Nasikkol zu bedenken und befürchtet Abwanderungsgedanken des Unternehmens. Es ist wohl eher zu befürchten, dass Thyssenkrupp weitere Schulden anhäuft, die unter der steigenden Zinslast nicht mehr zu bezahlen sind. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wohin Thyssenkrupp abwandern möchte, wenn selbst Stahl aus Polen oder Tschechien nicht profitabel gegenüber chinesischem Stahl ist.

 

Eine ähnliche Förderung für ein Projekt dieser Art hat bereits der zweitgrößte deutsche Stahlkonzern Salzgitter erhalten. Hier beteiligt sich der Bund mit 700 Mio. Euro und das Land Niedersachsen mit 300 Mio. Euro. Nun haben Thyssenkrupp und Salzgitter beschlossen, bei der Erzeugung „grünen“ Stahls eng zusammenarbeiten.

 

Rechnet man 1 Mrd. Steuergeld für Salzgitter und rund eine weitere Milliarde bei Thyssenkrupp zusammen, sind es schon 2 Mrd. Euro aus dem Steuersack. Und dann sind da auch noch andere energieintensive Unternehmen, die für sich die gleiche staatliche Förderung einfordern könnten.

Der beste Weg Geld zu verbrennen

Für Aktionäre von Thyssenkrupp und Salzgitter sollten Subventionen in dieser Höhe Alarmsignale sein. Thyssenkrupp hat eigentlich liquide Mittel in Höhe von 3,7 Mrd. Euro. Warum benötigt der Konzern Geld vom Land, Geld vom Bund, also am Ende Geld vom Steuerzahler? Das berühmte Sprichwort „Wer wagt, gewinnt“ scheint für die Stahlbranche nicht zu gelten. Und ehrlich gesagt, kann ich das sogar nachvollziehen.

 

Am Ende stellt die Frage, warum das unternehmerische Risiko für die zukünftige CO2-reduzierte Herstellung von Stahl völlig unabhängig von deren Profitabilität fürs Unternehmen auf die Steuerzahler ausgelagert werden soll? Sollte wider Erwarten der umweltfreundlichere Stahl für Thyssenkrupp überhaupt zu Gewinnen führen, was bezweifelt werden darf, würde man sich als Unternehmen für den Mut der Innovation auf die Schultern klopfen und der Steuerzahler geht leer aus. Subventionen sind schließlich Zuschüsse und keine Darlehen. Geht die Sache schief, verlieren Steuerzahler, Aktionäre und möglicherweise auch Thyssenkrupp.

 

Der einzige Grund, warum kein Investor ins Stahlgeschäft von Thyssenkrupp einsteigt ist, dass die Aussicht auf Profitabilität gegen Null tendiert. Deshalb verlangt Thyssenkrupp auch keinen rückzuzahlenden Kredit über die KfW-Bank, sondern eine staatliche Subvention. Das Geld wird für immer verloren sein.

 

Dass Thyssenkrupp seit jeher Geld benötigt um seinen Betrieb am Laufen zu halten, zeigte sich 2020, als der Konzern seine profitable Aufzugsparte für 17 Mrd. Euro verkaufte. Das Geld wurde gebraucht, um Schulden zu bezahlen, statt in neue Technologien zu investieren.

Interne Probleme

Thyssenkrupp plagen nicht nur externe Probleme wie hohe Energiekosten, Transformationsprozesse und Konkurrenzdruck aus Asien, sondern das Unternehmen hat auch mit internen Schwierigkeiten zu kämpfen. An vorderste Stelle steht der geplante Umbau des Unternehmens. Die scheidende Vorstandsvorsitzende Martina Merz hatte das Problem erkannt und wollte den unprofitablen Stahlsektor aus dem Mischkonzern in eine Gruppe weitgehend selbständiger Unternehmen ausgliedern. Innerhalb von Thyssenkrupp war die Strategie einer „Group of Companies“ umstritten, weshalb man nach Merz´ einvernehmlicher Entlassung sogleich Miguel Ángel López Borrego ins Amt berufen hat. Angeblich soll die Strategie der Transformation mit Borrego fortgeführt werden. Die IG Metall hält die Idee einer „Group of Companies“ für gescheitert. Erneut sei unnötige Zeit vergangen, monierten die Arbeitnehmervertreter. Der geplante Teilbörsengang der Wasserstofftochter Nucera lässt ebenfalls weiter auf sich warten.

 

Hinzu kommt, dass der neue Vorstandsvorsitzende Borrego keine nachweisbaren Erfolge als Sanierer vorzuweisen hat. Im Gegenteil, als Chairman beim Windturbinen-Hersteller Siemens-Gamesa, dem Sorgenkind von Siemens Energy, hatte er das wahre Ausmaß der Probleme nicht erkannt, heißt es aus seinem ehemaligen Umfeld. Jetzt steht er vor der Herausforderung, Thyssenkrupp zu sanieren. Man kann ihm nur viel Erfolg wünschen.

Die Aktie

Der Umsatz von Thyssenkrupp schwankt seit Jahren zwischen 38 Mrd. und 42 Mrd. Euro. Im abgeschlossenen Geschäftsjahr 22/22 belief sich der Umsatz auf 41,1 Mrd. Euro. Der Gewinn pro Aktie lag bei 1,82 Euro nach -0,18 Euro im Vorjahr. Der FCF lag bei -476 Mio. Euro.

Chart der Thyssenkrupp Aktie am 19.05.2023

Der Aktienkurs von Thyssen-Krupp läuft seit über 10 Jahren gen Süden. Vom ehemaligen Allzeithoch bei 46,70 Euro hat die Aktie bis heute 86 Prozent an Wert verloren. Selbst wenn man dachte, das Tief sei erreicht, ging es danach immer nochmal eine Etage nach unten. Für langfristige Anleger war nichts zu holen. Kein Wunder, denn das Unternehmen hat mit Ausnahme des Verkaufs der Aufzugsparte in den letzten 10 Jahren kein Geld verdient, im Gegenteil, der Gewinn pro Aktie läge in Summe bei -3,14 Euro.


Warum das Unternehmen ausgerechnet jetzt wieder eine Dividende in Höhe von 0,15 Euro auszahlen möchte, obwohl Kreditzinsen bedient und gigantische Investitionen in die Konzerntransformation investiert werden müssen, bleibt fraglich.

 

Thyssenkrupp konnte seine Performance im Vergleich zum Vorjahr zwar verbessern, rechnet aber mit einem deutlichen Umsatzrückgang im laufenden Geschäftsjahr aufgrund eines unsicheren Umfeldes und gestiegener Rohstoffpreise.

Der FCF soll auf ein ausgeglichenes Niveau steigen, also bestenfalls bei 0 Euro liegen. Das bereinigte Betriebsergebnis soll auf einen Wert im mittleren bis hohen dreistelligen Millionenbetrag sinken. Es wird ein Gewinn von 0,33 Euro pro Aktie prognostiziert. Damit würde sich das KGV von 3,7 auf 20 erhöhen. Bei rückläufigen Wachstumraten wäre also der aktuelle Aktienkurs noch viel zu hoch.
 

Fazit: Die Stahlbranche ist eine schwierige Branche. Für mich ist das Risiko, auf einen Turnaround bei Thyssenkrupp zu spekulieren, zu hoch. Sollte es dem Unternehmen gelingen, Stahl mit grünem Wasserstoff völlig CO2-neutral zu bezahlbaren Preisen herzustellen, dann steht dem Unternehmen eine glänzende Zukunft bevor. Ob Thyssenkrupp zum Branchengewinner gehören wird, wird sich zeigen. Privatanlegern rate ich jedoch derzeit von Aktienkäufen ab.

Disclaimer: Diese Publikation beinhaltet weder Anlagestrategieempfehlungen noch Anlageempfehlungen gemäß § 85 WpHG und Artikel 20 der Marktmissbrauchsverordnung. Sie erfüllt deshalb nicht die gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Objektivität von Anlagestrategieempfehlungen/Anlageempfehlungen.

Autor: Leon L. Bensch für aktien-buddy.de erstmals veröffentlicht am 20. Mai 2023

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